Fieber unbekannter Ursache

Allgemeine Informationen

Definition

  • Anhaltendes oder wiederkehrendes Fieber, dessen Ursache trotz hochwertiger initialer Diagnostik (ambulant oder stationär) in einem angemessenen Zeitraum nicht geklärt werden kann.1

Kategorisierung

  • Im Laufe der Zeit wurde das FUO immer wieder anhand unterschiedlicher Kriterien neu eingeteilt, auch vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung diagnostischer Verfahren.2-6
  • Aktuell kann es u. a. folgendermaßen kategorisiert werden:1,7

Klassisches FUO (modifiziert)

  • Vier Kriterien
    1. Fieber ≥ 38,3 °C bei mindestens 2 Messungen
    2. Krankheitsdauer ≥ 3 Wochen oder mehrere febrile Episoden verteilt auf ≥ 3 Wochen
    3. keine Immunsuppression
    4. unklare Diagnose nach Durchführung folgender Diagnostik:
  • Die Ursachen können eingeteilt werden in:
    1. Infektionen
    2. Malignome
    3. Autoimmunerkrankungen
    4. Sonstige.

Nosokomiales FUO

  • Fieber, das sich bei hospitalisierten Patient*innen entwickelt, die zum Zeitpunkt der Aufnahme noch kein Fieber hatten.

FUO bei Immundefizienz

  • Wichtige Gruppen sind Patient*innen mit:
    • Organtransplantation
    • Neutropenie
    • Stammzelltransplantation
    • HIV ohne antiretrovirale Therapie, AIDS.

Reiseassoziiertes FUO

Häufigkeit

  • In Industrieländern kann ein FUO am ehesten einer nichtinfektösen entzündlichen Erkrankung zugeordnet werden, während in Entwicklungsländern Infektionen am häufigsten sind.8
  • Insbesondere bei Älteren ist ein unentdecktes Malignom nicht selten die Ursache eines unklaren Fiebers.
  • Studien aus Mitteleuropa zeigen in etwa folgende Häufigkeiten hinsichtlich der Ätiologie an:
    • Infektionen: 10–20 %
    • nichtinfektiöse entzündliche Erkrankungen 25–30 %
    • Malignome: 10–15 %
    • verschiedene: 5–10 %
    • trotz modernster Diagnostik keine Ursache feststellbar (eigentliches FUO): 30–50 %.

ICD-10

  • R50 Fieber unbekannter Ursache (Febris causae ignotae)
    • R50.0 Fieber mit Schüttelfrost
    • R50.1 Anhaltendes Fieber
    • R50.80 Fieber unbekannter Ur
    • R50.9 Unspezifisches Fieber

Diagnostik

Diagnostische Überlegungen

  • FUO ist eine der größten diagnostischen Herausforderungen in der Medizin.9
  • Atypische Präsentationen gewöhnlicher Erkrankungen sind häufiger als sehr seltene Ätiologien.9-10
  • Je länger die fiebrige Erkrankung andauert, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit einer nichtinfektiösen Ursache.11
  • Es gibt keinen allgemein anerkannten diagnostischen Standard.12
  • Bei einem erheblichen Teil der Patient*innen kann trotz ausgedehnter Diagnostik keine Ursache identifiziert werden.7

Differenzialdiagnosen

  • Zahlreiche Differenzialdiagnosen, über 200 mögliche Ursachen eines FUO sind in der Literatur beschrieben.7
  • Jede Einzeldiagnose kommt nur in geringer Häufigkeit vor, daher ist die Einteilung der Ätiologien in vier Bereiche üblich:
    • Infektionen
    • nichtinfektiöse entzündliche Erkrankungen
    • Malignome
    • Verschiedene.
  • Die Darstellung der möglichen Ätiologien variiert in der Literatur, im Folgenden finden Sie eine mögliche Einteilung ohne Anspruch auf Vollständigkeit.13

Infektionen

Häufigere Ursachen
Weniger häufige Ursachen

Nichtinfektiöse entzündliche Erkrankungen

Häufigere Ursachen
Weniger häufige Ursachen

Malignome

Häufigere Ursachen
Weniger häufige Ursachen

Verschiedene

Häufigere Ursachen
Weniger häufige Ursachen
  • Subakute Thyreoiditis
  • Nebenniereninsuffizienz
  • Periodisches Fieber (genetisch)
  • Nekrotisierende Lymphadenitis
  • Febris factitia

Diagnostischer Pfad

  • Es wurden verschiedene diagnostische Protokolle für eine schrittweise Abklärung publiziert.14-18
  • Letztlich ist eine individuelle Anpassung der Algorithmen erforderlich, da nicht alle grundsätzlich möglichen Tests bei allen Patient*innen durchgeführt werden können.14
  • Bei der Abklärung sollte besonderes Augenmerk auf potenzielle diagnostische Hinweise (PDC = Potential Diagnostic Clues) gerichtet werden.13-14,19
    • PDC sind definiert als alle Symptome und Befunde, die auf eine mögliche Diagnose hinweisen.7
    • Sie sind hilfreich bei der Auswahl und Abfolge weiterer diagnostischer Verfahren.13 
  • In den vergangenen Jahren hat 18FDG-PET/CT einen zunehmenden Stellenwert in der weiteren Abklärung eines FUO nach initialer Basisdiagnostik bekommen (Erfassung eines gesteigerten Glukosemetabolismus bei Tumoren, Infektionen und nichtinfektösen Entzündungen).13,20
    • Sensitivität 86–98 %, Spezifität 52–85 %1
    • Ist anderen Bildgebungsverfahren überlegen.1
    • Ein negatives 18FDG-PET/CT erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine spontane Remission des Fiebers.1

Mögliche Struktur einer Abklärung7

  1. Unklares Fieber ≥ 38,3 °C, Erkrankung ≥ 3 Wochen
  2. Anamnese und klinische Untersuchung
  3. Stopp von Antibiotika und Kortikosteroiden, Stopp oder Ersatz aller sonstigen Medikamente
  4. Ausschluss Immunsuppression (negativer HIV-Test, normale Immunglobuline, keine Neutropenie)
  5. Basisuntersuchungen
  6. Berücksichtigung von PDC (Potential Diagnostic Clues) aus (auch wiederholter) Anamnese/klinischer Untersuchung und apparativer Basisuntersuchungen
    • PDC vorhanden: gezielte weitere Abklärung im Hinblick auf wahrscheinliche Diagnosen und ggf. Diagnosestellung
    • keine PDC vorhanden: FDG-PET/CT, bei positivem Befund ggf. Biopsie (für Histologie/Mikrobiologie) und weitere Zusatzuntersuchungen, ggf. Diagnosestellung
  7. Weiterhin keine Diagnose
    • bei stabilem Zustand: wachsames Zuwarten (neue PDC im Verlauf?)
    • bei instabilem Zustand: weitere (invasive) Diagnostik, Therapieversuch

Positivempfehlungen im Rahmen einer Abklärung

  • Objektivieren des Fiebers (Ausschluss Febris factitia)
  • Genaue, wiederholte Anamnese
    • Familie, Herkunft, Ethnie
    • alle Medikamente und Drogen (Alternativmedizin)
    • Exposition: Reisen, Arbeit, Hobbys, Tiere, Sex
  • Detaillierte klinische Untersuchung, insbesondere:
    • gesamte Haut und Schleimhäute
    • Gebiss, Rachen, NNH, Temporalarterien
    • alle Lymphknotenstationen, Leber, Milz
    • Genitale: Hoden, Prostata
    • Frauen: gynäkologische Untersuchung.
  • Stopp oder Ersatz aller Medikamente (auch bei langjährig guter Verträglichkeit)
  • Abnahme eines Nullserums (Serothek)
  • Interdisziplinäre Fallbesprechung erwägen: vor invasiver Diagnostik, vor Therapieversuch (Infektiologie, Rheumatologie/Immunologie, Hämato-Onkologie).

Negativempfehlungen im Rahmen einer Abklärung

  • Keine antimikrobielle oder immunmodulierende Therapie, solange Patient*innen stabil sind.
  • Keine antimikrobielle Therapie ohne vorgängige Materialentnahme für Diagnostik (auch invasiv, falls nötig)
  • Keine systemischen Kortikosteroide ohne gesicherte oder sehr wahrscheinliche Diagnose (vorher Histologie)
  • Keine serologische Infektionssuche (insbes. Block-Analysen) ohne erhöhte Vortestwahrscheinlichkeit aus Anamnese, Status oder Basisuntersuchungen
  • Kein pseudosystematisches Abarbeiten differenzialdiagnostischer FUO-Listen

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Durchführung spezifischer Diagnostik bei Spezialist*innen
    • Hinzuziehen weiterer Kolleg*innen mit gemeinsamer Besprechung
  • Verschlechterung des klinischen Zustands

Therapie

  • Bei stabilen Patient*innen ist eine Strategie des wachsamen Zuwartens zu bevorzugen.
  • Eine unspezifische Behandlung führt selten zu einer Heilung und verzögert möglicherweise die korrekte Diagnose.13
  • Eine empirische antimikrobielle Therapie sollte daher vermieden werden mit Ausnahme folgender Gruppen:9
    • neutropen
    • immunkomprimittiert
    • kritisch krank.
  • Auch eine empirische Therapie mit Glukokortikoiden ist mit seltenen Ausnahmen (z. B. V. a. Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis) nicht indiziert.19
  • Allenfalls kann zur Symptomlinderung ein Versuch mit NSAR sinnvoll sein.

Prognose

  • In älteren Studien wird eine Mortalität von 12–35 % berichtet.14
  • In einer neueren Untersuchung war die Mortalität mit 7 % deutlich geringer (Mortalität abhängig von der Ätiologie: Neoplasien 38 %, Infektionen 5,4 %, verschiedene Ursachen 4,7 %, nichtinfektiöse Entzündungen 1,9 %).21
  • Patient*innen, bei denen letztlich keine Ursache identifiziert werden kann, haben hingegen eine gute Prognose mit niedriger Mortalität.7

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Haidar G, Singh N. Fever of Unknown Origin. N Engl J Med 2022; 386: 463-477. doi: 10.1056/NEJMra2111003 DOI
  2. Petersdorf R, Beeson P. Fever of unexplained origin: report on 100 cases. Medicine (Baltimore) 1961; 40: 1-30. doi:10.1097/00005792-196102000-00001 DOI
  3. Durack D, Street A. Fever of unknown origin--reexamined and redefined. Curr Clin Top Infect Dis 1991; 11: 35-51. pmid:1651090 PubMed
  4. Knockaert D, Vanderschueren S, Blockmans D, et al. Fever of unknown origin in adults: 40 years on. J Intern Med 2003; 253: 263-275. doi:10.1046/j.1365-2796.2003.01120.x DOI
  5. Vanderschueren S, Knockaert D, Adriaenssens T, et al. From prolonged febrile illness to fever of unknown origin: the challenge continues. Arch Intern Med. 2003;163(9):1033–1041. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Ergönül O, Willke A, Azap A, Tekeli E. Revised definition of ‘fever of unknown origin’: limitations and opportunities. J Infect. 2005;50(1):1–5. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Mulders-Manders C, Simon A, Bleeker-Rovers C. Fever of unknown origin. Clin Med 2015; 15: 280-284. doi:10.7861/clinmedicine.15-3-280 DOI
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  9. David A, Quinlan J. Fever of Unknown Origin in Adults. Am Fam Physician 2022; 105: 137-143. www.aafp.org
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Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.

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