Leberabszess

Zusammenfassung

  • Definition:Entzündliche, raumfordernde Leberläsion durch infektiöse Erreger. Zu unterscheiden sind der pyogene Abszess und der Amöbenabszess.
  • Häufigkeit:Inzidenz ca. 2–3 pro 100.000 Einw./Jahr.
  • Symptome:Abgeschlagenheit, rechtsseitiger Oberbauchschmerz,
    Schüttelfrost, Übelkeit/Erbrechen.
  • Befunde:Fieber, Hepatomegalie, Leber schmerzhaft palpabel.
  • Diagnostik:Diagnosestellung durch Bildgebung (Sonografie, CT). Punktion zum Keimnachweis bei pyogenem Abszess, Serologie auf E. histolytica bei Amöbenabszess.
  • Therapie:Antimikrobielle Therapie. Drainage bei pyogenem Abszess.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Entzündliche, raumfordernde Leberläsion durch infektiöse Erreger1

Häufigkeit

  • Inzidenz
    • ca. 2–3 pro 100.000/Jahr
  • Geschlecht
    • Männer zu Frauen ca. 3 : 1
  • Regionale Verteilung
    • In westlichen Ländern ist der pyogene Leberabszess dominierend, in tropischen und subtropischen Regionen der Amöbenabszess.2
    • In Industrieländern kein endemisches Vorkommen von Entamoeba histolytica mehr, betroffen sind vorwiegend Migrant*innen und Individualreisende.

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • Ätiologisch können unterschieden werden:3
    • pyogene Abszesse (oft bakterielle Mischinfektionen): ca. 80 %
    • Amöbenabszess: ca. 10 %
    • Pilzabszess (meist Candida): < 10 %.

Pathogenese – pyogene Leberabszesse

  • Genese
    • biliär (am häufigsten), vor allem bei:
      • benignen oder malignen Gallenwegsstenosen
      • Lebertumoren.
    • hämatogen infolge von portalvenösen Bakteriämien bei:
    • per continuitatem
    • arterielle septische Embolien
    • posttraumatisch
  • Erregerspektrum
    • in der Regel polymikrobielle Infektion
    • Häufig isolierte Keime sind:

Pathogenese – Amöbenabszesse

  • Fäkal-orale Infektion durch Aufnahme von Zysten (kontaminierte Nahrung bzw. verunreinigte Getränke)
  • Im Rahmen einer Amöbenkolitis können Trophozoiten über die Pfortader in die Leber gelangen.
  • Ein Leberabszess ist die häufigste extra-intestinale Manifestation der Amöbenruhr.

Prädisponierende Faktoren

  • Risikofaktoren für die Entwicklung eines pyogenen Leberabszesses sind:4

ICD-10

  • K75 Sonstige entzündliche Leberkrankheiten
    • K75.0 Leberabszess

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Verdacht auf die Erkrankung durch Anamnese, klinisches Bild und Labor
  • Diagnosesicherung durch Bildgebung (Ultraschall, CT)
  • Keimnachweis durch Punktion (nicht beim Amöbenabszess)

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Symptome
    • Abgeschlagenheit
    • rechtsseitiger Oberbauchschmerz (evtl. Ausstrahlung in Schulter/Rücken)
    • Schüttelfrost
    • Übelkeit/Erbrechen
  • Vorerkrankungen
  • Medikation
    • Immunsuppressiva
    • Protonenpumpen-Inhibitoren
  • Reiseanamnese (Amöbenabszess)
    • Aufenthalt in tropischen Regionen (auch vor vielen Jahren)
    • oft anamnestisch keine Hinweise auf (blutige) Diarrhöen

Klinische Untersuchung

  • Schlechter Allgemeinzustand
  • Fieber (intermittierend oder kontinuierlich)
  • Hepatomegalie, Leber schmerzhaft palpabel

Ergänzende Untersuchungen in der hausärztlichen Praxis

Labor

  • Blutbild
  • Entzündungsparameter (BSG, CRP)
  • Leberwerte, Cholestaseparameter, Lebersyntheseparameter (Bilirubin, GOT (ASAT)GPT (ALAT), Gamma-GTAP, Albumin, INR)
  • Evtl. Blutkulturen
  • Bei V. a. Amöbenabszess
    • Serologie auf Entamoeba histolytica (Sensitivität nahezu 100 %)
    • in der Standard-Stuhlmikroskopie häufig keine Amöben

Sonografie

  • Typischerweise echoarme Darstellung des Abszesses

Rö-Thorax

Diagnostik bei Spezialist*innen

Sonografie mit Kontrastmittel

  • Echoarmes Zentrum mit Kontrastanreicherung des Abszessrandes

CT mit Kontrastmittel

  • Hypodenses Zentrum mit Kontrastanreicherung des Abszessrandes3

Abszesspunktion

  • Beim pyogenen Abszess zum Keimnachweis
  • Beim Amöbenabszess im Allgemeinen nicht indiziert

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Überweisung und ggf. stationäre Einweisung bei Verdacht auf die Erkrankung

Therapie

Therapieziele

  • Infektion sanieren.
  • Komplikationen vermeiden bzw. behandeln.

Allgemeines zur Therapie

  • Basis ist die antimikrobielle Behandlung.
  • Beim pyogenen Abszess je nach Größe und Lokalisation ergänzend perkutane/endoskopische Drainage oder Operation

Medikamentöse Therapie

Pyogener Abszess

  • Mögliche empirische Regime
    • Breitspektrumpenicilline plus Betalaktamase-Inhibitor (z. B. Piperacillin-Tazobactam)
    • Cephalosporine der 3. Generation plus Metronidazol
    • Ciprofloxacin plus Metronidazol
    • Carbapeneme
  • I. v. Therapie über ca. 14 Tage, anschließend orale Therapie über weitere 2–4 Wochen

Amöbenabszess

  • Metronidazol 3 x 10 mg/kg KG/d (max. 3 x 800 mg/d) i. v. oder oral über 10 Tage
  • Eradikation einer evtl. noch bestehenden Darmlumeninfektion mit Paromomycin 25–30 mg/kg tgl. oral über 10 Tage
  • Wegen Rupturgefahr unter Therapie strenge Bettruhe in den ersten Tagen

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

Pyogener Abszess

  • Sepsis in 10–15 % der Fälle
  • Septische Emboli4
  • Abszessruptur (6 %)4
  • Fisteln4

Amöbenabszess

  • Typische Komplikation des Amöbenabszesses ist die Ruptur gefolgt von:
    • meist Ausbreitung ins Peritoneum
    • seltener Ausbreitung in Pleura oder Perikard.

Prognose

Pyogener Abszess

  • Ein unbehandelter pyogener Abszess verläuft in der Regel tödlich.3
  • Ansonsten Mortalität ca. 10 %
  • Mittlerer Zeitraum bis zur vollständigen Resolution in der Bildgebung ca. 10 Wochen
  • Rezidiv bei bis zu 15 % der Patient*innen, insbesondere bei:
    • multiplen oder bilobulären Abszessen
    • Abszessen durch multiresistente Erreger
    • vorausgegangenen Cholangitiden.

Amöbenabszess

  • Gute Prognose, Letalität < 1 %
  • Beim Amöbenabszess unter Therapie rasche klinische und subjektive Besserung mit Fieberabfall und Schmerzabnahme bereits in den ersten 12 Stunden
    • Rückbildung der Abszesshöhle nach erfolgreicher Therapie allmählich über Monate

Patienteninformationen

Patienteninformation in Deximed

Illustrationen

Sonografie: großer pyogener Leberabszess vor Drainageanlage (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg)
Sonografie: großer pyogener Leberabszess vor Drainageanlage (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg)
Sonografie: Leberabszess mit Anlage einer Abszessdrainage (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg)
Sonografie: Leberabszess mit Anlage einer Abszessdrainage (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg)

Quellen

Literatur

  1. Sharma S, Ahuja V. Liver abscess: Complications and Treatment. CLD 2021; 18: 122-126. doi:10.1002/cld.1128 DOI
  2. Lardiere-Deguelte S, Ragot E, Amroun K, et al. Hepatic abscess: Diagnosis and management. J Visc Surg 2015; 152: 231-243. doi:10.1016/j.jviscsurg.2015.01.013 DOI
  3. Peralta R. Liver Abscess. Medscape, updated March 27, 2020. Zugriff 02.04.22. emedicine.medscape.com
  4. Mavilia M, Molina M, Wu G. The Evolving Nature of Hepatic Abscess: A Review. J Clin Trans Hepatol 2016; 4: 158–168. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.

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